Gerhard Tonn vom RRC brachte es 2017 „nur“ auf gut 700 Kilometer / Nach über einem halben Jahrhundert Rudern stellt er fest : Das Wetter hat sich geändert
Solange noch fünf Grad plus sind und es nicht zu windig ist, rudert Gerhard Tann selbstredend auch im Winter. Dann schiebt er den Einer namens „Pölchow“ vom Bootshaus „seines“ Rostocker Ruder-Clubs auf einem kleinen Wägelchen, das aus kaum mehr als beiden Rädern besteht, zum Warnow Einstieg und fährt auf drei Millimetern Sperrholz aus den 70-er Jahren los. Hier, bei der zwischenzeitlichen BSG Motor, ist er groß geworden – dasheißt, eigentlich in der Kröpeliner-Tor Vorstadt . „Da waren wir als Kinder eine Art Straßengang, alle mit Fahrrädern, und die Älteren von uns haben sich am Wochenende immer abgeseilt – an das andere Flussufer zum Rudern. Da fragten wir sie, ob wir mal mit kommen können. Ich kann mich noch genau erinnern: „Mit einer ,Hafenrundfahrt‘ über drei Kilometer ging es unter Trainer Manfred Meier los“, beschreibt der Vater von Martin (35) und Daniela (39) sowie Opa dreier Enkeltöchter seine ruderischen Anfänge – 51 Jahre später stellt er fest: „Die Wetterlage hat sich geändert. Früher fuhren wir problemlos immer bis Langenort oder Oldendorf. Jetzt steht da regelmäßig ’ne Welle, hat man starke Winde und kommt nur noch bei ruhiger Witterung bis dort hoch. Zu dem ist in die andere Richtung die Schleuse dicht, so dass man auch nicht auf die Oberwamow gelangt, wo einen kein Motorboot- und Schiffsverkehr stört.“ Im Sommer sei er traditionell jeden Dienstag und Donnerstag mit seinen Vereinskameraden Peter Seyer, Erich Wessel-Schulz, Peter Hagge und Andre Oemke im Doppelvierer unterwegs (Steuermann sei jeder mal, das gehe reihum). Da stelle sich die Frage: „Fahren wir rechts oder links herum? Drei Kilometer bis zur Schleuse und den Kanal davor noch zwei mal hoch und runter – oder womöglich nur bis Kabutzenhof, falls wir da Kabbelwasser mit Schaumkronen auf den Wellen vorfinden.“ Dass das Heim-Ruder-Revier also relativ begrenzt ist, davon lässt sich der 63-Jährige seine Leidenschaft nicht vermiesen: „Der Reiz ist die Natur, das Drumherum. Das Wasser zieht mich sowieso an, das ist für mich zweite Heimat. Und man bleibt fit durch die Bewegung. Dazu kommt die Gemeinschaft, dass man mit mehreren Leuten zusammen ist. Das spielt alles ’ne Rolle.“ Und er betont: „Mir geht es nicht um Kilometer-Hascherei, ich bin dieses Jahr ehrlich gesagt auch faulgewesen, nur auf etwas mehr als 700 Kilometer gekommen. Normalerweise schaffe ich über 1000…“
Nach all den Jahren wäre es verwunderlich, könnte der skullende Hausmeister vom Informatik Center Roggentin nicht wenigstens eine ganz besondere Geschichte zum Thema Rudern erzählen: „Im Mai waren wir mehrere Tage auf Peene-Wanderfahrt. Da wollten wir u.a. auf der Trebel von Tribsees nach Demmin. Nach zehn Kilometern war aber Schluss. Da lagen sowohl backbord als auch steuerbord Riesenpappeln im Wasser, außerdem war alles verkrautet , und ein auf geblähtes totes Wildschwein schwamm da auch noch rum (die gehen im Winter aufs Eis, brechen ein und bleiben stecken). Da haben wir bei unserem Doppelvierer das Steuer ausgehängt, 100 Meter Anlauf genommen, der Steuermann hat uns in die richtige Lage gebracht, und dann sind wir da volle Pulle rein und gut durchgeflutscht.“ Auf der Oberwarnow, so der Kösterbecker, habe er auch schon schwimmende Rehböcke gesichtet. Am liebsten würde Gerhard Tann wohl jeden Tag auf dem Wasser sein. Das, sieht er ein, geht nicht.
Peter Richter/NNN